Nötigung (§ 240 StGB): Tatbestand, Beispiele, Strafen & Ihre Rechte (2025)

Autor: stud. iur. Niels-Christopher Petersen; Jurastudent, Bundestagsmitarbeiter & E-Commerce-Experte schreibt über Online-Recht, Digitalisierung & Verbraucherschutz 17.10.25 11:17 Uhr


Nötigung liegt vor, wenn jemand eine andere Person rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einem Handeln, Dulden oder Unterlassen bringt. Der Grundtatbestand wird mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren bestraft, der besonders schwere Fall mit 6 Monaten bis 5 Jahren. Auch der Versuch ist strafbar. Im Straßenverkehr kann u. a. dichtes Drängeln mit Lichthupe Nötigung sein. Geldstrafen werden in Tagessätzen bemessen; bis 90 Tagessätze erscheinen grundsätzlich nicht im Führungszeugnis (Ausnahmen). Beweise sichern – aber keine heimlichen Tonaufnahmen.

Inhaltsverzeichnis

  1. Gesetzliche Definition & Kernelemente
  2. Wann ist die Tat rechtswidrig? (Verwerflichkeitsklausel)
  3. Strafen, Tagessätze & Verjährung
  4. Nötigung im Straßenverkehr: typische Konstellationen
  5. Beweise richtig sichern (ohne sich selbst strafbar zu machen)
  6. Ablauf einer Strafanzeige & Stellung von Opfern
  7. Zivilrechtliche Ansprüche (Unterlassung, Schadensersatz, Schmerzensgeld)
  8. Abgrenzung: Nötigung vs. Bedrohung vs. Erpressung
  9. FAQ

1) Gesetzliche Definition & Kernelemente

Wortlaut (§ 240 Abs. 1 StGB):
Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar (§ 240 Abs. 3 StGB). In besonders schweren Fällen drohen 6 Monate bis 5 Jahre; Regelbeispiele: Nötigung einer Schwangeren zum Schwangerschaftsabbruch, Missbrauch der Amtsträgerstellung (§ 240 Abs. 4 StGB).

Tatbestands-Check:

  • Nötigungsmittel
    • Gewalt (körperlich wirkender Zwang; auch vis compulsiva)
    • Drohung mit empfindlichem Übel (Ankündigung eines erheblichen Nachteils, auf dessen Eintritt der Täter Einfluss hat)
  • Nötigungserfolg: Opfer handelt, duldet oder unterlässt – kausal herbeigeführt durch das Nötigungsmittel.
  • Subjektiv: mindestens Vorsatz (dolus eventualis genügt).
  • Rechtswidrigkeit: siehe Verwerflichkeitsprüfung unten (§ 240 Abs. 2 StGB).

Verfassungsrechtliche Leitplanken:
Nicht jede Blockade oder „bloße Anwesenheit“ ist Gewalt i. S. d. § 240 StGB (Stichwort Sitzblockaden); die Abgrenzung dient dem Schutz von Grundrechten durch die Rechtsprechung.

2) Wann ist die Tat rechtswidrig? (Verwerflichkeitsklausel)

§ 240 Abs. 2 StGB verlangt eine Gesamtwürdigung von Mittel und Zweck: Rechtswidrig ist die Tat nur, wenn die Mittel‑Zweck‑Relation verwerflich ist. Das ist ein offener Rechtsbegriff, der im Einzelfall zu prüfen ist (z. B. Intensität der Drohung, Eingriffsgewicht, Kontext).

3) Strafen, Tagessätze & Verjährung

Strafrahmen:

  • Grundtatbestand: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis 3 Jahre.
  • Besonders schwerer Fall:6 Monate bis 5 Jahre; Regelbeispiele:
    1. Nötigung einer Schwangeren zum Schwangerschaftsabbruch;
    2. Missbrauch von Befugnissen/Stellung als Amtsträger.

Geldstrafe in Tagessätzen:
Gerichte verhängen 5–360 Tagessätze, Höhe pro Tag nach den wirtschaftlichen Verhältnissen (§ 40 StGB).

Führungszeugnis / BZR (Praxisrelevanz):
Im Führungszeugnis erscheinen in der Regel erst Geldstrafen über 90 Tagessätze bzw. Freiheitsstrafen über 3 Monate; es gibt Ausnahmen, u. a. bei mehreren Verurteilungen (§ 32 BZRG).

Verjährung:
Aufgrund der Strafandrohung (bis 3 bzw. bis 5 Jahre) beträgt die Verfolgungsverjährung regelmäßig 5 Jahre (§ 78 Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 StGB).

4) Nötigung im Straßenverkehr: typische Konstellationen

Drängeln / dichtes Auffahren mit Lichthupe kann als Gewalt i. S. d. § 240 StGB gewertet werden, wenn der Vordermann unter massivem Druck zu einem Fahrmanöver gezwungen wird (z. B. Spurwechsel aus Angst). Das ist verfassungsrechtlich bestätigt.

Mögliche Nebenfolgen bei Nötigung im Verkehr:

  • Fahrverbot von 1–6 Monaten (§ 44 StGB)
  • Entziehung der Fahrerlaubnis und Sperrfrist (§§ 69, 69a StGB) bei Ungeeignetheit zum Führen von Kfz
    (Beides ist zusätzlich zur Hauptstrafe möglich.)

5) Beweise richtig sichern (ohne sich selbst strafbar zu machen)

Was hilft:

  • Zeitnahes Gedächtnisprotokoll (Datum/Uhrzeit/Ort, Wortlaut, Handlungen)
  • Zeugen (Name/Erreichbarkeit)
  • Screenshots / Chat‑Verläufe / E‑Mails
  • Dashcam/Video aus öffentlichem Raum (wo zulässig)
  • Ärztliche Atteste (bei physischen/psychischen Folgen)

Wichtig:
Heimliche Tonaufnahmen nicht‑öffentlicher Gespräche sind grundsätzlich strafbar (§ 201 StGB). Auch unbefugte Bildaufnahmen aus geschützten Räumen sind strafbar (§ 201a StGB). Nutzen Sie solche Beweismittel nicht, um sich nicht selbst zu belasten.

6) Ablauf einer Strafanzeige & Stellung von Opfern

  • Deliktsart: Nötigung ist Offizialdelikt – Polizei/Staatsanwaltschaft ermitteln von Amts wegen; ein Strafantrag ist nicht erforderlich.
  • Ablauf (Kurz): Anzeige → Ermittlungsverfahren (Zeugen, Auswertung Beweise, Vernehmung Beschuldigte/r) → ggf. Anklage / Strafbefehl → Hauptverhandlung/Urteil.
  • Opferrechte: Information über den Verfahrensstand, ggf. Nebenklage/Beistand, Schutzmaßnahmen (z. B. Kontaktverbote im Einzelfall über das Gewaltschutzrecht).

7) Zivilrechtliche Ansprüche (Unterlassung, Schadensersatz, Schmerzensgeld)

Neben dem Strafverfahren kommen zivilrechtliche Ansprüche in Betracht, etwa auf Schadensersatz (§ 823 BGB) und – bei Verletzung von Körper, Gesundheit oder Freiheit – Schmerzensgeld (§ 253 Abs. 2 BGB). Bei wiederholten Eingriffen kann ein Unterlassungsanspruch (z. B. aus § 1004 BGB analog i. V. m. § 823 BGB) bestehen.

8) Abgrenzung: Nötigung vs. Bedrohung vs. Erpressung

  • Bedrohung (§ 241 StGB): Androhung bestimmter Straftaten (z. B. gegen körperliche Unversehrtheit/Freiheit) – ohne notwendige Erzwingung eines konkreten Verhaltens. Strafrahmen geringer. Gesetze im Internet
  • Erpressung (§ 253 StGB): Nötigung + Vermögensnachteil + Bereicherungsabsicht – deutlich schärferer Strafrahmen.

9) FAQ

Ist der Versuch der Nötigung strafbar?
Ja, § 240 Abs. 3 StGB.

Wie hoch ist die Geldstrafe?
Individuell – Gerichte verhängen 5–360 Tagessätze; die Höhe pro Tag richtet sich nach Einkommen/Vermögen (§ 40 StGB).

Steht eine Nötigung im Führungszeugnis?
Grundsätzlich erst ab > 90 Tagessätzen (oder > 3 Monaten Freiheitsstrafe); Ausnahmen möglich, z. B. bei mehreren Verurteilungen (§ 32 BZRG).

Verjährt Nötigung?
Regelmäßig in 5 Jahren (Verfolgungsverjährung).

Darf ich Drohungen einfach aufnehmen?
Heimliche Tonaufnahmen sind in der Regel strafbar (§ 201 StGB). Sichern Sie Beweise rechtmäßig.


Praxisbox: Schnell‑Check „Liegt Nötigung vor?“

  • Gab es Gewalt oder eine Drohung mit erheblichem Nachteil?
  • Wurde dadurch ein Handeln/Dulden/Unterlassen erzwungen?
  • Ist die Mittel‑Zweck‑Relation verwerflich (unangemessene Druckausübung)?
  • Beweise vorhanden (rechtmäßig gesichert)?
  • Anzeige erstattet / Beratung eingeholt?

Rechtlicher Hinweis

Dieser Beitrag ersetzt keine individuelle Rechtsberatung. In akuten Fällen (insb. bei Gefahrenlagen) 110 rufen; ansonsten frühzeitig anwaltliche Hilfe einholen.