Jugendschutz in der Praxis: Was Eltern wissen müssen, wenn ihre Kinder online bestellen

Mit nur wenigen Klicks gelangen Minderjährige heute an Produkte, die ihnen eigentlich verboten sind – darunter Alkohol, Energie-Drinks mit Koffein-Boost und sogar Vapes. Oft geschieht das unter dem Radar der Eltern. Denn wer überprüft schon täglich die Online-Bestellhistorie seiner Kinder? Doch genau hier beginnt ein rechtliches Minenfeld. Was passiert, wenn ein 14-Jähriger sich über das Smartphone seines Bruders eine E-Zigarette bestellt? Wer haftet? Und wie können Eltern überhaupt reagieren, wenn sie es zu spät merken?

Online-Bestellungen unter 18 – ein unterschätztes Risiko

Der Online-Handel macht es einfach: rund um die Uhr einkaufen, keine Wartezeiten, keine Rückfragen. Für Jugendliche kann das zur Versuchung werden. Ein Klick, ein falsches Geburtsdatum, ein Login mit dem Handy der Eltern – und der Zugang zu eigentlich altersgeschützten Produkten ist möglich. Vom limitierten Sneaker bis hin zu trendigen Lifestyle-Artikeln wie Vapes, die längst nicht mehr nur mit klassischem Rauchen assoziiert werden, sondern als moderne Alternative gelten.

Gerade hier ist Aufklärung wichtiger als Verbote. Viele Jugendliche interessieren sich nicht für Nikotin, sondern für Geschmack, Technik oder Design. Doch selbst nikotinfreie Varianten unterliegen dem Jugendschutz – ein Punkt, der häufig übersehen wird. Eltern stehen dadurch vor der Herausforderung, digitale Eigenständigkeit zuzulassen, ohne den Überblick zu verlieren.

Gesetzlich ist der Fall klar: Anbieter sind verpflichtet, beim Verkauf bestimmter Produkte Altersverifikationssysteme zu nutzen – etwa Ausweiskontrollen oder Prüfverfahren bei der Übergabe. In der Praxis jedoch bleibt diese Sicherheit oft lückenhaft. Manche Shops setzen auf Eigenverantwortung, andere verzichten ganz auf sichtbare Prüfmechanismen.

Wo der Taschengeldparagraf endet

Süßigkeiten, Comics, ein USB-Kabel – klar, das geht. Aber wie sieht es bei Produkten mit rechtlicher Relevanz aus? Genau hier wird es knifflig. Der Taschengeldparagraph deckt nur Geschäfte ab, die dem Kind keine rechtlichen Nachteile bringen und mit eigenen Mitteln vollständig bezahlt wurden. Eine Bestellung über Klarna oder auf Rechnung fällt sofort raus – rechtlich ungültig.

Außerdem greift dieser Schutz nicht, wenn es sich um Waren handelt, deren Verkauf an Minderjährige ausdrücklich verboten ist. Dazu gehören E-Zigaretten, Filme mit Altersfreigabe ab 18 oder alkoholhaltige Getränke. Auch wenn das Kind das Geld vom Opa zum Geburtstag bekommen hat – ein Vape-Produkt bleibt für Minderjährige tabu. Bestellt das Kind es trotzdem und der Händler liefert, liegt die Verantwortung zunächst beim Verkäufer. Doch sobald Eltern davon wissen und nichts unternehmen, geraten sie selbst in eine Grauzone.

Aufsichtspflicht im digitalen Alltag

Smartphones, Tablets, eigene Laptops – viele Kinder haben heute Zugang zu Online-Shops, noch bevor sie das erste Mal allein einkaufen waren. Die technische Überlegenheit Jugendlicher gegenüber ihren Eltern tut ihr Übriges. Doch juristisch bleibt klar: Eltern müssen dafür sorgen, dass ihre Kinder keine verbotenen Dinge bestellen. Das heißt nicht, dass sie jede App kontrollieren müssen. Aber sie sollten wissen, welche Zahlungsmittel ihre Kinder verwenden und wie deren Konten geschützt sind.

Eltern sind laut § 832 BGB verpflichtet, ihre Kinder so zu beaufsichtigen, dass Dritte keinen Schaden nehmen. Wenn ein Kind also eine Vape bestellt, die dann beim Nachbarskind landet und gesundheitliche Schäden verursacht – dann kann es teuer werden. In diesem Fall spielt es keine Rolle, ob der Online-Shop fahrlässig gehandelt hat. Entscheidend ist, ob das Kind überhaupt hätte bestellen dürfen – und ob die Eltern dem aktiv oder passiv zugestimmt haben.

Was Eltern konkret tun können

Ein Päckchen mit unbekanntem Absender, ein Produkt, das nicht altersgerecht wirkt – häufig bemerken Eltern erst dann, dass ihre Kinder online bestellt haben. Doch dann ist es oft zu spät: Die Rückgabe ist kompliziert, die rechtlichen Grenzen wurden überschritten oder es steht ein peinliches Gespräch bevor. Um das zu vermeiden, braucht es mehr als bloße Verbote – es braucht klar definierte Maßnahmen.

1. Offene Kommunikation über Konsumgrenzen
Sprechen Sie mit Ihrem Kind frühzeitig über Konsumverhalten im Internet. Erklären Sie, warum gewisse Produkte – etwa alkoholische Getränke, Erotikartikel oder moderne Lifestyle-Produkte wie Vapes – erst ab 18 erhältlich sind. Gehen Sie dabei nicht von einem „Verbot aus Prinzip“ aus, sondern von der Frage: Was ist altersgerecht, und was bedeutet Verantwortung im Netz? Sagen Sie z. B.: „Auch wenn ein nikotinfreier Vape auf TikTok cool aussieht – es gibt Gesetze, die solche Käufe einschränken. Und das aus gutem Grund.“

2. Zahlungswege aktiv kontrollieren
Kinder und Jugendliche bestellen oft nicht über eigene Konten – sondern nutzen PayPal, Kreditkarten oder Lastschrift über das Familienkonto. Prüfen Sie regelmäßig, welche Zahlungsmethoden auf Geräten verfügbar sind. Deaktivieren Sie z. B. die automatische Zahlungsfunktion in Apps wie Amazon oder Google Play. Binden Sie Online-Shops grundsätzlich an das Passwort eines Elternteils. Wenn Ihre Kinder ein Prepaid-Guthaben nutzen, behalten Sie die Höhe im Blick. Faustregel: Kein Zugriff auf Zahlungsmittel, die über den Taschengeldrahmen hinausgehen.

3. Technische Kindersicherungen konsequent einrichten
Nutzen Sie integrierte Jugendschutzfunktionen:

  • In Windows oder macOS lassen sich Benutzerkonten mit eingeschränkten Rechten erstellen.
  • Router wie Fritz!Box erlauben Zeitfenster und Inhaltsfilter pro Gerät.
  • Auf Streaming- oder Shopping-Plattformen wie Netflix, Amazon oder eBay lassen sich PIN-geschützte Profile aktivieren.

Vergeben Sie eine Kindersicherung auch für Browser-Erweiterungen: So verhindern Sie, dass Jugendliche Plugins nutzen, die Altersverifikationen umgehen.

4. Familienregeln für Online-Einkäufe festlegen
Formulieren Sie klare Regeln – nicht mündlich, sondern schriftlich. Ein einfaches Regelblatt am Kühlschrank kann Wunder wirken:

  • „Onlinekäufe nur nach Rücksprache“
  • „Jede Bestellung wird vorher gemeinsam angesehen“
  • „Neues Passwort nur gemeinsam eingerichtet“

Diese Transparenz reduziert heimliche Aktionen – und stärkt gleichzeitig das Vertrauen.

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